Samstag 20. September 2025

Von Allerheiligen, Allerseelen und dem Ewigkeitssonntag

Im Christentum haben sich verschiedene Traditionen des Totengedenkens entwickelt

Allerseelen

   St. Barbara Friedhof Linz, © Clemens Frauscher  

 

Dr.in Gudrun Becker im Interview mit Andrea Mayer-Edoloeyi für die OÖ Nachrichten Spezialbeilage "St. Barbara Friedhof":

 

„Alle christlichen Kirchen und Gemeinschaftenverbindet der gemeinsame Glaube daran, dass der Tod nicht das letzte Wort hat“, sagt Gudrun Becker, Referentin für Ökumene und Judentum der Katholischen Kirche in Oberösterreich.
Ganz praktisch wird dieses Miteinander, wenn Familien mit Angehörigen
verschiedener Konfessionen am 1. November gemeinsam auf den Friedhof gehen. „Längst vergangen sind zum Glück die Zeiten, in denen evangelische Christinnen und Christen nicht auf katholischen Friedhöfen bestattet werden durften und die Friedhöfe streng getrennt waren“, erklärt Gudrun Becker mit Blick auf eine Vergangenheit, wo Unterschiede wichtiger als Verbindendes zwischen den christlichen Gruppen waren. Am St. Barbara Friedhof liegen heute die Gräber von Christinnen und Christen aller Konfessionen, von Angehörigen anderer Religionen und von Menschen ohne religiöses Bekenntnis nebeneinander.

 

Gegenseitige Bereicherung

„Heute werden auch hilfreiche Rituale des jeweils anderen übernommen oder ähneln einander, zum Beispiel stellen manche Evangelische auch Kerzen auf die Gräber, was eigentlich in der evangelischen Tradition nicht überall üblich ist. Oder es werden in vielen katholischen Pfarren die Namen der im letzten Jahr Verstorbenen verlesen. Dies wird auch in Evangelischen Kirchen am Ewigkeitssonntag praktiziert.

Zudem wird dort oft eine Kerze für jede Verstorbene beziehungsweise jeden Verstorbenen des vergangenen Jahres entzündet, die dann die Angehörigen mit nach Hause nehmen“, berichtet Gudrun Becker aus der Praxis. Der Totensonntag oder Ewigkeitssonntag ist in der Evangelischen Kirche Gedenktag für die Verstorbenen. Er ist immer der letzte Sonntag im Kirchenjahr vor dem ersten Adventssonntag, 2023 ist es der 26. November.

 

Totengedenken im November

Katholikinnen und Katholiken gedenken ihrer Toten zu Allerheiligen und Allerseelen. Viele Menschen besuchen rund um den 1. November die Gräber ihrer Verstorbenen am Friedhof. Graber werden schön hergerichtet und der Friedhof erstrahlt im Glanz vieler Kerzen. Allerheiligen ist eigentlich der Tag des Gedenkens an alle Heiligen. Dem Gedenken an Verstorbene und der Erinnerung an die eigene Sterblichkeit ist der Tag Allerseelen gewidmet. In der heutigen Praxis des Totengedenkens verschwimmen diese beiden Tage, die inhaltlich einander sowieso nahe sind.

Die Nähe zwischen der Erinnerung an besonders herausragende Menschen und an die eigenen Toten gilt auch für das orthodoxe Christentum. „Die Hoffnung auf Auferstehung und Leben bei Gott wird für katholische und orthodoxe Christinnen und Christen auch durch das Erinnern an heilige Frauen und Männer genährt. Man stellt sich die Gemeinschaft besonderer Menschen vor Augen, die in ihrem Leben die Liebe Gottes in besonderer Weise verwirklicht haben und nach ihrem Tod ganz in Gottes Nähe sind. Heilige spielen als Vorbild, Hoffnung und Fürsprecherinnen und Fürsprecher eine wichtige Rolle in der Erinnerung an Verstorbene“, erklärt Gudrun Becker.

Theologisch steht Allerheiligen in engem Bezug zu Ostern und der Auferstehung der Toten. Die Heiligen stehen laut christlicher Überzeugung bereits in Gemeinschaft mit Gott und bilden eine „Kirche des Himmels“ bilden.

 

Allerheiligen im Frühling

Am ersten Sonntag nach Pfingsten begeht die orthodoxe Kirche das Fest Allerheiligen. Nur im katholischen Christentum hat sich der Termin Anfang November etabliert, der Termin nach Pfingsten ist ursprünglicher.

Gudrun Becker erzählt von weiteren Ritualen des Totengedenkens: „In der orthodoxen Tradition ist der Samstag dem Gedenken an Verstorbene gewidmet. Besondere Bedeutung haben die Seelensamstage oder Seelentage, die vor großen Festen angesiedelt sind. An Sonntagen und Festen steht die Auferstehung im Mittelpunkt. Der Karsamstag, der Tag der Grabesruhe des Herrn, ist das Vorbild für die Seelensamstage. In orthodoxen und orientalischen Traditionen haben die Sterbetage von Verstorbenen eine wichtige Bedeutung. Die Namen von Verstorbenen, an die während einer Heiligen Liturgie gedacht werden soll, werden oftmals auf kleine Zettel geschrieben und dem Priester vor der Eucharistiefeier gegeben. Das finde ich persönlich ein starkes Ritual. Verstorbene sind ein wesentlicher Teil der Feiergemeinschaft und werden ins Gebet mithineingenommen.“

 

Autorin: Andrea Mayer-Edoloeyi

www.barbarafriedhof.at

 

Allerheiligen, Allerseelen
Allerheiligen, Allerseelen
Allerheiligen, Allerseelen

 

 

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